Sexualität bei Mukoviszidose

Kein Tabuthema: Sexualität bei Menschen mit Mukoviszidose

Chronische Erkrankungen sind häufig in vielen verschiedenen Lebensbereichen spürbar und machen auch vor dem Liebesleben der Betroffenen nicht halt. Gerade bei Mukoviszidose (zystische Fibrose, CF) sind Themen wie Fruchtbarkeit und Sexualität von hoher Bedeutung für die Community, da sich die Erkrankung direkt auf die Fortpflanzungsorgane auswirkt.1 Das liegt daran, dass die bei Mukoviszidose zu Grunde liegende Fehlfunktion der CFTR-Proteine unter anderem die Dickflüssigkeit von einigen Körperflüssigkeiten, sogenannten Sekreten, bestimmt.1 Diese spielen auch beim Geschlechtsverkehr und bei Schwangerschaften eine große Rolle. Eine genauere Auseinandersetzung mit dem Thema kann also sowohl für Betroffene als auch ihre Partnerinnen bzw. Partner von großem Interesse sein und sollte kein Tabu darstellen.

    Die weiblichen Geschlechtsorgane werden in innere und äußere unterteilt. Zu den äußeren zählen die inneren und äußeren Schamlippen, die Klitoris, der Scheidenvorhof und die Bartholin-Drüsen. Zusammen ermöglichen sie den Geschlechtsverkehr und das Lustempfinden der Frau. Bei einer Schwangerschaft hingegen stehen vor allem die inneren Geschlechtsorgane (Scheide, Muttermund, Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcke) im Vordergrund. In den Eierstöcken reifen Eizellen heran, die dann letztlich beim Eisprung über den Eileiter in die Gebärmutter wandern. Im Falle einer Befruchtung nistet sich die Eizelle hier ein und die embryonalen Entwicklung beginnt.2

     

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    Auch wenn die weiblichen Geschlechtsorgane einem vielleicht nicht als klassische von CF-betroffene Organe in den Sinn kommen, ist es bei genauerem Hinsehen nicht überraschend, dass sich eine CFTR-Fehlfunktion auch hier bemerkbar macht. Denn sowohl beim Geschlechtsverkehr als auch bei einer Schwangerschaft sind verschiedene Sekrete von Bedeutung. Sie unterstützen das reibungsfreie Eindringen des Penis in die Scheide und haben Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Letzteres geschieht durch den Zervixschleim, der während der unfruchtbaren Tagen zäh ist und für Spermien eine natürliche Barriere darstellt. An fruchtbaren Tagen ist er hingegen durchlässig, damit Spermien zur Eizelle gelangen können.3 Bei Mukoviszidose kann der Zervixschleim teilweise derart zäh werden und seinen pH-Wert verändern, dass es den Spermien auch während der fruchtbaren Tage der Frau nicht gelingt, zur Eizelle vorzudringen.4 Daher tritt herabgesetzte Fruchtbarkeit bei Frauen mit CF mehr als doppelt so häufig auf wie in der weiblichen Allgemeinbevölkerung.5 Neben erhöhter Dickflüssigkeit des Zervixschleims kann Unfruchtbarkeit auch auf das Ausbleiben von Eisprüngen (Anovulation) zurückgeführt werden. Von diesem Phänomen wurde bei Frauen mit CF vermehrt berichtet und es steht möglicherweise in direktem Zusammenhang mit der CFTR-Fehlfunktion.6 Zusätzlich zu den Fertilitätsstörungen treten bei Frauen mit CF häufiger Schmerzen beim Geschlechtsverkehr auf Grund von vaginaler Trockenheit auf.7-9

     

      
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    Verhütung

    Nur etwa 35 % der Frauen mit CF haben eine verringerte Fruchtbarkeit5, deshalb sollte das Thema Verhütung Teil einer gesunden Sexualerziehung sein und auch in Partnerschaften gemeinschaftlich besprochen werden. Gerade bei hormonellen Verhütungsmitteln sollte insbesondere auf die Wechselwirkungen mit zahlreichen Medikamenten geachtet werden. Wenden Sie sich an Ihre Ärztin oder Ihren Arzt, um die Verhütungsmethode zu finden, die am besten zu Ihnen passt. Unabhängig von dem Thema Schwangerschaft sollte sich aber auch über den Schutz vor sexuell übertragbaren Erkrankungen informiert werden, da diese für Menschen mit und ohne CF auch in Deutschland weiterhin von Bedeutung sind.

    Genau wie bei Frauen werden auch die männlichen Geschlechtsorgane in innere und äußere eingeteilt. Zu den äußeren gehören der Penis und der Hodensack, zu den inneren die Hoden, Nebenhoden, der Samenleiter, die Bläschendrüsen und die Prostata. Die Spermien werden in den Hoden hergestellt und über die Samenleiter zu verschiedenen Drüsen transportiert, die sie zusammen mit Sekreten zum Transport verpacken. Der Penis sorgt dann schließlich durch die Ejakulation dafür, dass die Samenflüssigkeit in die Scheide der Frau gelangt.10

     

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    Bei Männern mit Mukoviszidose zeigt sich, wie früh die Auswirkungen der CFTR-Fehlfunktion auftreten: Mehr als 95 % der männlichen CF-Betroffenen werden bereits ohne Samenleiter geboren. Es wird vermutet, dass bei ihnen die embryonale Entwicklung der Samenleiter durch zähflüssiges Sekret gestört wird.6,11 Dennoch werden in den Hoden von CF-Betroffenen Spermien hergestellt, die zur Zeugung biologischer Kinder mit Hilfe von Techniken assistierter Reproduktion genutzt werden können. Es gibt aber Studien, die nahelegen, dass auch die Anzahl und Funktionalität der Spermien von Männer mit CF durch die CFTR-Fehlfunktion beeinträchtigt sein kann.6,7 Dementsprechend lohnt es sich gerade als Mann mit CF, sich intensiver mit dem Thema Fruchtbarkeit auseinanderzusetzen. Trotz der fehlenden Samenleiter ejakulieren Männer mit Mukoviszidose – wenn auch in geringeren Mengen – und werden dadurch in ihrer Sexualität nicht beeinträchtigt.8

    Unfruchtbarkeit ist nicht das einzige sexualitätsbezogene Thema, das Menschen mit Mukoviszidose beschäftigt: Im Rahmen einer Studie berichteten 65 % der männlichen und 43 % der weiblichen Personen mit CF von sexuellen Fehlfunktionen.8 Diese müssen nicht unbedingt direkte Auswirkungen der CFTR-Fehlfunktion sein, sondern können auch indirekte Effekte wie einen schlechten Ernährungsstatus als Ursprung haben. Früher setzten beispielsweise bei vielen CF-Betroffenen sowohl der Beginn der Pubertät als auch bei Mädchen die erste Regelblutung verspätet ein. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Ernährungsstatus von Menschen mit Mukoviszidose allerdings stark verbessert, sodass sie sich in Bezug auf Beginn von Pubertät und Menstruation nicht mehr von Gleichaltrigen unterscheiden.6,8 Ein weiterer Weg, auf dem Mukoviszidose sich auf die Sexualität von Betroffenen auswirken kann, ist über Sexualhormone wie Testosteron und Östrogen. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen mit CF wurde von abweichenden Mengen an Sexualhormonen berichtet, welche die sexuelle Funktionalität und die Lust auf Sex beeinflussen können.8

     

      
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    Sollten Sie also bei sich oder Ihrer Partnerin bzw. Ihrem Partner Schwierigkeiten beim Geschlechtsverkehr bemerken, lohnt es sich diese mit ihrem CF-Behandlungsteam zu besprechen, um der genauen Ursache auf den Grund zu gehen.

    Die Auswirkungen der Mukoviszidose lassen sich in einer Partnerschaft nicht verstecken, da stellt auch Sex keine Ausnahme dar. Beispielsweise berichten ein Drittel der Frauen mit CF von Hustenanfällen während oder nach dem Sex.7 Wichtig ist aber im Kopf zu behalten, dass es auch nicht das Ziel sein sollte, die Erkrankung vor der Partnerin oder dem Partner zu verheimlichen. Denn gemeinsam kann man sich besser Strategien zum Umgang überlegen als allein. Im besten Fall bringt einen dies emotional sogar noch näher zusammen.

    Hier ein paar Tipps, die CF-Betroffene beim Sex unterstützen können:8,12

    • Verwendung von sterilem Gleitmittel gegen die vaginale Trockenheit
    • Vermeidung von parfümierten Gerüchen, die Symptome verschlimmern könnten
    • Atemphysiotherapeutische Übungen vor dem Sex
    • Bevorzugung von weniger anstrengenden Stellungen, die nur geringen Druck auf den Brustkorb ausüben
    • Einnahme von schnell wirksamen Bronchodilatatoren 20 bis 30 Minuten vor dem Sex
    • Unterstützung des Rückens durch Kissen

     

    Offenheit und Ehrlichkeit sind auch bei diesem Thema der Schlüssel zu einer erfolgreichen Partnerschaft.

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      3. Kazmerski TM et al. Family‐building and parenting considerations for people with cystic fibrosis. Pediatr Pulmonol. 2022;57(S1):S75-S88.

      4. Shteinberg M et al. Fertility and Pregnancy in Cystic Fibrosis. Chest. 2021;160(6):2051–2060.

      5. Kazmerski TM et al. Sexual and reproductive health behaviors and experiences reported by young women with cystic fibrosis. J Cyst Fibros. 2018;17(1):57–63.

      6. West NE et al. Optimizing sexual and reproductive health across the lifespan in people with cystic fibrosis. Pediatr Pulmonol. 2022;57:S89–S100.

      7. Hill DA and Taylor CA. Dyspareunia in Women. Am Fam Physician. 2021;103(10):597–604.

      8. De Souza DAS et al. Congenital bilateral absence of the vas deferens as an atypical form of cystic fibrosis: reproductive implications and genetic counseling. Andrology. 2018;6(1):127–135.

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