Seltenes sichtbar machen
- Verschiedenste Veranstaltungen rund um den Rare Disease Day, der dieses Jahr am 28. Februar 2025 stattfindet, rücken die Bedürfnisse von Menschen mit seltenen Erkrankungen in den Fokus der Aufmerksamkeit.
- Seltene Erkrankungen beeinflussen das Leben von schätzungsweise 1,05 bis 1,4 Milliarden direkt Betroffenen und deren Angehörige weltweit.
- Menschen mit seltenen Krankheitsbildern müssen oftmals lange auf eine Diagnose warten und können häufig auch nicht angemessen behandelt werden. Neue Ansätze in der Forschung ermöglichen aber Fortschritte bei der Diagnosestellung und den Therapiemöglichkeiten.
Der Rare Disease Day rückt weltweit seltene Erkrankungen wie zum Beispiel die Erbkrankheit
Viele Sterne am Nachthimmel…
…aber oftmals bemerken wir nur die hellsten. Fachleuten fallen durch ihr geschultes Auge und spezielle Hilfsmittel (wie ein Teleskop) auch weniger helle Sterne auf. Dennoch bleibt ein großer Teil schwach leuchtender Sterne im Verborgenen oder wird nicht gesehen. Ähnlich verhält es sich mit seltenen Erkrankungen. Eine Ärztin oder ein Arzt vermutet bei einem gewöhnlichen Symptom (wie z.B. Husten) normalerweise auch, dass eine häufig auftretende Krankheit dahintersteckt. Bei einer auf seltene Krankheiten spezialisierten Fachärztin oder einem Facharzt können gängige Symptome zwar öfter einem seltenen Krankheitsbild zugeordnet werden, aber die wenigsten Menschen haben ohne eine Vermutung Zugang zu solch spezialisierten Fachkreisen. Somit stehen die wenig Geläufigen – also seltenen Erkrankungen – häufig im Schatten von bekannten Krankheiten. Um ein Bewusstsein für diese seltenen Krankheitsbilder und den Umgang mit Betroffenen zu schaffen, wurde die Initiative „Rare Disease Day“ angeführt von der „European Organisation for Rare Diseases“ (EURORDIS) 2008 ins Leben gerufen und findet seither jährlich am letzten Tag im Februar statt – dem seltensten aller Tage.1
Mehr Betroffene als man vermutet
Eine Erkrankung wird in der Europäischen Union als selten klassifiziert, wenn weniger als 5 von 10.000 Menschen davon betroffen sind.2 Obwohl nicht viele Menschen von einzelnen seltenen Krankheitsbildern beeinflusst werden, tritt die Krankheitsgruppe der seltenen Erkrankungen insgesamt häufig auf:
Das Leben jedes dieser Menschen ist von mindestens einer der etwa 7.000 bekannten verschiedenen seltenen Krankheitsbilder beeinträchtigt. Jährlich kommen weitere dazu.5,6,7 Der Großteil davon ist auf (erbliche) Veränderungen im Erbgut zurückzuführen.6,8 Seltene Erkrankungen können aber auch in Form von seltenen Autoimmunstörungen, Infektionskrankheiten und Krebserkrankungen in Erscheinung treten.9 Allein wegen der hohen Anzahl an Betroffenen und der Vielfalt an möglichen Krankheitsbildern ist es wichtig, seltene Erkrankungen sichtbar zu machen.
Mehr Herausforderungen als man sieht
Aufgrund der komplizierten und vielfältigen Symptome und ihrem geringen Auftreten werden seltene Krankheitsbilder häufig übersehen und/oder fehldiagnostiziert.2 Mehr als zwei Drittel der seltenen Erkrankungen beginnen bereits im Kindesalter, dennoch müssen Betroffene im Durchschnitt 3 bis 5, teilweise sogar 8 Jahre bis zur korrekten Diagnose warten.3,7,10 Diese lange Ungewissheit ist belastend, so begleiten häufig Stress, Depressionen und/oder Angststörungen den Alltag von Menschen mit seltenen Erkrankungen und ihre Angehörigen.2,7 Eine frühzeitige Erkennung ist daher nicht nur für direkt Betroffene für eine möglichst hohe Lebensqualität sehr wichtig.2,6 Flächendeckende Früherkennungsmaßnahmen wie zum Beispiel das Neugeborenen-Screening ermöglichen - teilweise bereits vor Auftreten von Symptomen - die Diagnose einiger seltener Erkrankungen, darunter auch Mukoviszidose.6
Eine weitere Herausforderung stellen die teilweise stark begrenzten Therapiemöglichkeiten dar. Nur für weniger als 6 % der seltenen Erkrankungen steht aktuell eine geeignete Behandlung zur Verfügung.11 Denn dem Fachpersonal fehlen Erfahrung und Informationen, die bei häufig auftretenden Krankheiten womöglich bereits vorhanden sind.9,11,12 Auch bei der Entwicklung von Medikamenten für seltene Erkrankungen, sogenannte „orphan drugs“, stehen Forschende vor Schwierigkeiten. Der geringen Anzahl an Menschen, die bei erfolgreicher Entwicklung profitieren könnten, stehen mitunter aufwendigere Methoden und/oder langwierige Studien gegenüber.2,12 Für pharmazeutische Unternehmen bedeutet dies daher ein zusätzliches finanzielles Risiko, welches in Erwägung gezogen werden muss.12
Mehr Chancen als man denkt
Nichtsdestotrotz wurden zwischen 2010 und 2020 …
Die niedrigen Fallzahlen einzelner seltenerer Erkrankungen erschwert die Erforschung besonders. Um dem entgegenzuwirken, werden Daten von Patientinnen und Patienten in freiwilligen (inter-)nationalen Registern zusammengetragen, um Muster von Krankheiten besser zu erkennen.11,14 Solche Muster können zum Beispiel für die Erkrankung typische Symptome sein oder Trends, wie gut bestimmte Behandlungen anschlagen.15,16 Künstliche Intelligenz (KI) kann Muster sogar noch besser und schneller entdecken als wir Menschen.14,15 Daneben kann KI auch bei der Suche nach Ursachen und möglichen Wirkstoffkandidaten unterstützen.11,17 Diese Fortschritte können nicht nur die Diagnosestellung und Therapieentwicklung beschleunigen, sondern auch den Aufwand und damit die Kosten senken.11,14,15,17 Als zusätzliche Unterstützung erhalten nationale Forschungsverbände für die Erforschung von seltenen Krankheitsbildern Fördergelder durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Das Ziel bis 2027: Die Diagnosezeit bei aktuell bekannten seltenen Erkrankungen auf 1 Jahr zu verkürzen.18
Veranstaltungen zum Rare Disease Day 2025 in Deutschland
Damit Betroffenen mit seltenen Erkrankungen und Angehörigen gehört und gesehen werden, bieten verschiedene Organisationen im Rahmen des Rare Disease Day besondere Veranstaltungen an. Dabei ist die folgende Auflistung eine Auswahl an Veranstaltungen und keinesfalls abschließend.
Wie im vergangenen Jahr gibt die Ausstellung „Selten Allein“ die Möglichkeit, Menschen mit seltenen Erkrankungen und ihre Geschichte kennenzulernen. In Selbstporträts, die Betroffene entworfen haben, wird zusammen mit einer kurzen Selbstauskunft zur Person und ihrer Krankheit auf seltene Erkrankungen aufmerksam gemacht. Die Ausstellung findet ab dem 28. Februar 2025 an ausgewählten Einkaufsbahnhöfen und Unikliniken in Deutschland satt. „Selten Allein“ bietet zudem eine virtuelle Galerie mit allen Bildern und weiteren Informationen.
Für Interessierte, die gerne einen aktiven Beitrag leisten möchten, gibt es den Rare Disease Run 2025, einen „virtuellen Lauf“ in der Woche vom 24. Februar bis zum 2. März 2025. Die Teilnehmenden können den Lauf dabei individuell absolvieren, beispielsweise auf der Lieblingsjoggingstrecke, und durch Erwerb eines Lauf-Pakets spenden. Die entsprechenden Einnahmen kommen dann insgesamt 33 gemeinnützigen Vereine zugute, die Betroffene mit spezifischen seltenen Erkrankungen und Angehörige unterstützen.
Neben allgemeinen Informationen rund um Medikamente finden Sie auf der Webseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) außerdem einen Überblick über zahlreiche Veranstaltungen zu seltenen Erkrankungen in Deutschland – sowohl zum Rare Disease Day als auch im gesamten Jahresverlauf.
In Social-Media-Kanälen können Sie Aktionen zum Rare Disease Day mit dem Hashtag #RareDiseaseDay und #TagderSeltenenErkrankungen finden. Unter den offiziellen Hashtags #RareDisease, #ShareYourColours und #LightUpForRare können Sie selbst Farbe zeigen und Licht in das Dunkel um seltene Erkrankungen bringen. Ihre Beteiligung kann Betroffenen und ihren Angehörigen helfen, gesehen zu werden, und bietet Unterstützung – "mehr als Du Dir vorstellen kannst".
Weitere Informationen sowie einen Überblick über weltweite Veranstaltungen finden Sie auf der offiziellen Webseite des Rare Disease Days.
-
Rare Disease Day. What is Rare Disease Day? [Online]. Verfügbar unter: https://www.rarediseaseday.org/what-is-rare-disease-day/. [Zugriff am 17. Januar 2025].
-
Chung CCY et al. Rare disease emerging as a global public health priority. Front Public Health 2022;10:1028545.
-
Inhestern L. et al. Patient experiences of interprofessional collaboration and intersectoral communication in rare disease healthcare in Germany – a mixed-methods study. Orphanet J Rare Dis 2024;19:197.
-
Zentrales Informationsportal über Seltene Erkrankungen. [Online]. Verfügbar unter: https://www.portal-se.de/was-sind-seltene-erkrankungen. [Zugriff am 17. Januar 2025].
-
Fehr A und Prütz F. Seltene Erkrankungen: Herausforderungen für Medizin und Public Health. J Health Monit. 2023;8(4):3–7.
-
Bundesministerium für Gesundheit. [Online]. Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/seltene-erkrankungen.html. [Zugriff am 17. Januar 2025].
-
Witt S et al. Living with a rare disease – experiences and needs in pediatric patients and their parents. Orphannet J Rare Dis 2023;18:242.
-
Rare Disease Day. What is a rare disease? [Online]. Verfügbar unter: https://www.rarediseaseday.org/what-is-a-rare-disease. [Zugriff am 17. Januar 2025].
-
Orpha.net. Über seltene Krankheiten. [Online]. Verfügbar unter: https://www.orpha.net/de/other-information/about-rare-diseases. [Zugriff am 17. Januar 2025].
-
Cortés-Martín J et al. Health Care on Rare Diseases. IJERPH. 2022;20(1):395.
-
Cortial L et al. Artificial intelligence in drug repurposing for rare diseases: a mini-review. Front Med. 2024;10:1404338.
-
Abozaid GM et al. Criteria to define rare diseases and orphan drugs: a systematic review protocol. BMJ Open. 2022;12:e062126.
-
Monaco L et al. Research on rare diseases: ten years of progress and challenges at IRDiRC. Nat Rev Drug Discov. 2022; 21(5):319-320.
-
Hageman IC et al. A systemic overview of rare disease patient registries: challenges in design, quality management, and maintenance. Orphanet J Rare Dis. 2023;18:106.
-
Wojtara M et al. Artificial intelligence in rare disease diagnosis and treatment. Clin Transl Sci. 2023;16:2106-2111.
-
Jonker CJ et al. Contribution of patient registries to regulatory decision making on rare diseases medicinal products in Europe. Front Pharmacol. 2022;13:924648.
-
He D et al. The use of artificial intelligence in the treatment of rare diseases: A scoping review. Intractable Rare Dis Res. 2024;13(1) :12-22.
-
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). [Online]. Verfügbar unter: https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/seltene-erkrankungen-6437.php. [Zugriff am 17. Januar 2025].