Mutter und Sohn bei Ärztin

Rare Disease Day 2024

Von Pferden und Zebras

  • Verschiedenste Veranstaltungen rund um den Rare Disease Day, der dieses Jahr am 29. Februar 2024 stattfindet, rücken die Anliegen von Menschen mit seltenen Erkrankungen in den Fokus der Aufmerksamkeit.
  • Seltene Erkrankungen beeinflussen das Leben von schätzungsweise 1,05 bis 1,4 Milliarden direkt Betroffenen und deren Angehörige weltweit.
  • Menschen mit seltenen Erkrankungen müssen oftmals lange auf eine Diagnose warten und können häufig auch nicht angemessen behandelt werden. Neue Ansätze in der Forschung ermöglichen aber Fortschritte bei der Diagnosestellung und den Therapiemöglichkeiten.

In diesem Jahr findet der Rare Disease Day am 29. Februar statt und setzt damit weltweit ein Zeichen für seltene Erkrankungen wie die Erbkrankheit Mukoviszidose (zystische Fibrose, CF). Im Vorfeld und am Tag selbst finden deshalb verschiedenste Aktionen statt. Erfahren Sie mehr über die Hintergründe der Initiative, die Schwierigkeiten von Betroffenen und ausgewählte Veranstaltungen in Deutschland.

 

Ein symbolträchtiges Datum

„Wenn du Hufschläge hörst, denk‘ an Pferde, nicht an Zebras!“ Haben Sie dieses Sprichwort schon einmal gehört? Es fordert uns auf, eher eine naheliegende Schlussfolgerung zu ziehen als einer sehr unwahrscheinlichen zu folgen. Übertragen auf die Medizin und das Beispiel Mukoviszidose könnte das zum Beispiel bedeuten: Hat ein Kind Husten, denken Ärztinnen und Ärzte womöglich als erstes an eine meist harmlose Erkältung – eine sehr häufige und gut bekannte Erkrankung als „Pferd“. Das „Zebra“ CF begegnet ihnen im Alltag zu selten – oder möglicherweise wissen sie noch nicht einmal, wie ein „Zebra“ denn aussieht, weil sie noch nie von einem gehört haben. So geht es vielen Menschen mit seltenen Erkrankungen, den Zebras unter den Krankheiten: Viele von ihnen erhalten auch heute noch falsche Diagnosen. Um das zu vermeiden, rückt der Rare Disease Day die seltenen Erkrankungen mit verschiedenen Veranstaltungen und Aktionen weltweit in den Fokus der Aufmerksamkeit. Er jährt sich seit 2008 immer am letzten Tag im Februar.1 Dieses Jahr ist allerdings ein besonderes: Denn der Aktionstag findet am Schalttag, dem 29. Februar statt! Als seltenster aller Tage spiegelt er die Seltenheit der Erkrankungen wider und legt dabei besonderen Wert auf die Anliegen von Menschen mit solchen Krankheiten und deren Angehörigen.

 

Selten – aber nicht so selten, wie man denkt

In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn weniger als 50 von 100.000 Menschen davon betroffen sind.2 Obwohl nicht viele Menschen von einzelnen seltenen Erkrankungen betroffen sind, tritt diese Krankheitsgruppe insgesamt häufig auf:

 

3,5 bis 5,9 % der Weltbevölkerung leben mit einer seltenen Erkrankung, das entspricht etwa 263 bis 446 Millionen Menschen weltweit.2

Schätzungsweise werden weltweit 1,05 bis 1,4 Milliarden Betroffene und Angehörige von seltenen Erkrankungen beeinflusst.2

In Deutschland sind geschätzt                    4 Millionen Menschen direkt betroffen.3 
  
 

Gerade diese hohe Anzahl an Betroffenen und Angehörigen unterstreicht, wie wichtig es ist, öffentlich auf diese Krankheiten aufmerksam zu machen.

 

Warum braucht es ein Bewusstsein für Menschen mit seltenen Erkrankungen?

Aktuell sind etwa 7.000 verschiedene seltene Krankheitsbilder bekannt. 4,5 Etwa 80 % entstehen durch (erbliche) Veränderungen im Erbgut und mehr als zwei Drittel der seltenen Erkrankungen beginnen bereits im Kindesalter.2,6 

Aufgrund der komplizierten und vielfältigen Symptome und dem vereinzelten Auftreten dieser Krankheiten werden seltene Erkrankungen häufig fehldiagnostiziert.2 So dauert es im Durchschnitt vier bis fünf Jahre, bis Betroffene eine korrekte Diagnose erhalten – falls überhaupt eine gestellt wird.2,7 Oft werden in dieser Zeit unwirksame Behandlungen begonnen, während die Erkrankung gleichzeitig weiter voranschreitet. Diese lange Ungewissheit kann bei den Betroffenen häufig auch psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen hervorrufen.2,7 Flächendeckende Früherkennungsmaßnahmen wie zum Beispiel das Neugeborenen-Screening sind aktuell noch eine seltene Ausnahme in der frühzeitigen Diagnosestellung.8 

Darüber hinaus sind die Therapiemöglichkeiten leider auch nach einem erfolgreichen Befund stark begrenzt: Nur für weniger als 6 % der seltenen Erkrankungen steht aktuell eine geeignete Behandlung zur Verfügung.8 Das hat unterschiedliche Gründe: Je weniger Menschen von einer Erkrankung betroffen sind, desto schlechter lassen sich sowohl die Krankheit als auch mögliche Therapien wissenschaftlich erforschen.8 Zudem steht den grundsätzlich hohen Forschungskosten in der Medizin eine nur geringe Anzahl an Betroffenen gegenüber, die von den neu entwickelten Behandlungsmöglichkeiten profitieren kann.2 Pharmazeutische Unternehmen müssen deshalb bei Therapien für seltene Erkrankungen oft ein hohes finanzielles Risiko eingehen, das sich nicht alle zutrauen.2 

 

Gute Nachrichten

Doch es gibt erfreuliche Entwicklungen: 

Zwischen 2010 und 2020 wurden...

886 neue seltene Krankheitsbilder erkannt.9
 

etwa 2.000 neue Gene gefunden, die mit seltenen Erkrankungen in Verbindung stehen.9

438 neue „Orphan Drugs“ (zu deutsch: Arzneimittel für seltene Leiden) in den USA und/oder der EU zugelassen.9

Die moderne Welt bietet weitere Chancen: So werden oftmals Daten von Patientinnen und Patienten in freiwilligen (inter-)nationalen Registern zusammengetragen, um Muster von Erkrankungen besser zu erkennen.10,11 Solche Muster können zum Beispiel für die Krankheit typische Symptome sein oder Trends, wie gut bestimmte Behandlungen anschlagen.5,11,12 Künstliche Intelligenz kann Muster sogar noch besser und schneller entdecken als wir Menschen.5,10,11 Diese Fortschritte können somit die Diagnosestellung und Therapieentwicklung beschleunigen.10,11 Zudem sinken die Kosten für viele Labormethoden, um einen Befund zu stellen oder neue Behandlungsmöglichkeiten zu erforschen.13

 

Veranstaltungen zum Rare Disease Day 2024 in Deutschland

Die Initiative LOUDRARE organisiert am 24. und 25. Februar ein Online-Festival, bei dem sich Betroffene mit Vertreterinnen und Vertretern aus Medizin, Pharmaindustrie und Patientenverbänden austauschen. Weiterhin zeigt die Kunstaktion „Selten Allein“ ab dem 29. Februar an ausgewählten Einkaufsbahnhöfen und Unikliniken in Deutschland Selbstporträts, die Menschen mit seltenen Erkrankungen entworfen haben, zusammen mit einer kurzen Selbstauskunft zur Person und ihrer Krankheit. Für alle Interessierten bietet „Selten Allein“ zudem eine virtuelle Galerie mit allen Bildern und weiteren Informationen. 

Darüber hinaus veranstaltet das Centrum für Seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf am 28. Februar eine Online-Informationsveranstaltung zum Thema „Der Weg zur Diagnose – Herausforderung bei Seltenen Erkrankungen“ für Fachpersonal, Studierende und Interessierte. Neben allgemeinen Informationen rund um Medikamente finden Sie auf der Webseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) außerdem einen Überblick über zahlreiche Veranstaltungen zu seltenen Erkrankungen in Deutschland - sowohl speziell zum Rare Disease Day als auch im gesamten Jahresverlauf. 

In Social Media-Kanälen können Sie Aktionen zum Rare Disease Day mit dem Hashtag #RareDiseaseDay finden oder Sie zeigen direkt selbst Farbe mit den offiziellen Hashtags #RareDisease, #ShareYourColours, #LightUpForRare und #TagderSeltenenErkrankungen. Weitere Informationen sowie einen Überblick über weltweite Veranstaltungen finden Sie auf der offiziellen Webseite des Rare Disease Days – Damit Medizinerinnen und Mediziner, Politikerinnen und Politiker sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Hufschlägen hin und wieder häufiger auch an Zebras denken.

    1. Chung CCY et al. Rare disease emerging as a global public health priority. Front Public Health. 2022;10:1028545.

    2. Fehr A und Prütz F. Seltene Erkrankungen: Herausforderungen für Medizin und Public Health. J Health Monit. 2023;8(4):3–7.

    3. Marwaha S et al. A guide for the diagnosis of rare and undiagnosed disease: beyond the exome. Genome Medicine 2022;14:23.

    4. Wakap SN et al. Estimating cumulative point prevalence of rare diseases: analysis of the Orphanet database. Eur J Hum. 2020; 28:165-173.

    5. Cortés-Martín J et al. Health Care on Rare Diseases. IJERPH. 2022;20(1):395.

    6. Castellani C et al. ECFS best practice guidelines: the 2018 revision. J Cyst Fibros. 2018;17(2):153–178.

    7. Monaco L et al. Research on rare diseases: ten years of progress and challenges at IRDiRC. Nat Rev Drug Discov. 2022; 21(5):319-320.

    8. Hageman IC et al. A systemic overview of rare disease patient registries: challenges in design, quality management, and maintenance. Orphanet J Rare Dis. 2023;18:106.

    9. Wojtara M et al. Artificial intelligence in rare disease diagnosis and treatment. Clin Transl Sci. 2023;16:2106-2111.

    10. Jonker, CJ et al. Contribution of patient registries to regulatory decision making on rare diseases medicinal products in Europe. Front Pharmacol. 2022;13:924648.

    11. Smirnov D et al. Integrative omics approaches to advance rare disease diagnostics. J Inherit Metab Dis. 2023;46:824-838.

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